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Minimalismus in Computerspielen von Jodi

Update am 05.03.2012: Die Postings der Blog-Aktion 52 Games zum Thema »Minimalismus« sind ausgezählt und ausgewertet. Kristin vom Blog Zockwork Orange hat meinen Artikel zu einem der Highlights der Runde gekürt. Herzlichen Dank dafür!


Ich möchte mich heute an der Blog-Aktion 52 Games beteiligen, die momentan durch die deutsche Gaming-Blogosphäre geht. Pro Woche wird ein neues Thema vorgegeben – alle Artikel werden dann im Blog Zockwork Orange gesammelt.


In dieser Woche geht es um »Minimalismus«. Das hat mich dazu veranlasst, einen Teil aus einem Vortrag [Video], den ich letztes Jahr in Wien gehalten habe, dafür aufzubereiten. In dem Auszug geht es um die Künstlergruppe Jodi, die mit ihren minimalistischen Computerspielmodifikationen bekannt geworden sind. Jodi verändern Computerspiele so sehr, dass sie am Ende keine mehr sind. Oder etwa doch?


In der minimalistischen Computerspielmodifikation SOD (1999) von Jodi, die auf dem kommerziellen Computerspiel Wolfenstein 3D (1992) basiert, sind alle repräsentierenden Texturen durch Eingriff in den Code entfernt worden (Abb. 1) [Video]. Die Nichtfarben Schwarz und Weiß bestimmen die Ästhetik des dargebotenen Bildes. Die Funktionsweise der Illusion des Ego-Shooters, sich in einen Raum hineinzubewegen und sich diesen durch Durchquerung anzueignen, wird durch die Abstraktion deutlich erkennbar und damit offen gelegt.


Aus der grafischen Abstraktion entsteht ein Kontrollverlust auf Seiten des Spielers, der mit Irritation, Desorientierung und Frustration einhergehen kann. Das Spiel ist nur noch begrenzt spielbar. Es wird durch die Eingaben des Spielers zu einem Spiel mit dem Bild selbst. Der Spieler verfolgt nicht mehr die martialischen Ziele des Ausgangsspiels, sondern manipuliert das Bild, indem er es dreht und wendet. Jodi zeigen, um was es sich eigentlich bei Computerspielen handelt, um Bild- und Raummaschinen. So wird auch die eigentliche Handlung während eines Computerspiels reflektiert – nämlich die Manipulation der Bilder durch die User, die die Veränderung des Bildinhalts auf ihre Handlungen zurückführen. Das macht SOD nicht nur zu einem abstrakten, sondern auch zu einem konkreten Computerspiel.


Jodi haben die Störung des Ausgangsmaterials in ihrem Werk immer wieder variiert – es handelt sich um ihre bestimmende künstlerische Strategie. Eine extreme Position stellt der Level Arena aus der Serie Untitled Game (1996-2001) dar.


Die visuelle Oberfläche des Ego-Shooters Quake (1996) ist vollständig ausgelöscht (Abb. 2). Das Spiel ist aber weiterhin bedienbar und reagiert auf die Eingaben des Spielers. Bei einem Treffer färbt sich das Bildfeld für einen Sekundenbruchteil rötlich. Ohne die Gattungen Computerspiel und Malerei vergleichen zu wollen, eröffnet die in Arena angewandte künstlerische Strategie Bezüge zum Themenkomplex monochromer Bilder, wie z.B. den White Paintings (1951) des Malers Robert Rauschenberg, die nichts zeigen außer der weiß grundierten Leinwand (Abb. 3).


Eine weitere Arbeit Rauschenbergs lässt sich in diesem Zusammenhang assoziativ anführen, die eine radikale Geste der Löschung beinhaltet: die ausradierte Zeichnung Willem de Koonings (Erased de Kooning Drawing, 1953). Rauschenberg hatte den abstrakten Expressionisten Willem de Kooning um eine Zeichnung als Geschenk gebeten, diese dann in einem aufwändigen Prozess ausradiert und als sein eigenes Kunstwerk ausgestellt. Die Spuren der zerstörten Zeichnung sind bei genauem Hinsehen noch zu erkennen.


Als Spuren bleiben bei Jodis Arena Informationen über das Spiel als Rahmung des monochromen Feldes bestehen. Die Tilgung der Bildinformation bewirkt paradoxerweise eine Bewusstmachung des Bildes. Diese Leerstelle, die durch die Imagination des Betrachters gefüllt werden kann, verweist auf das Fehlen des Bildes und rückt das Bild dadurch erst in das Zentrum des Kunstwerks.


Eine konzeptionelle Nähe zu Zen for Film (1964) des Medienkünstlers Nam June Paik wird hier deutlich. In Zen for Film lässt Paik einen nicht belichteten, leeren Film durch einen Projektor laufen. Er zeigt einen ›Anti-Film‹, »der nur sich selbst und seine Materialbeschaffenheit abbildet«.


Die Konstruktionsprinzipien und immanenten Eigenschaften des Mediums verselbständigen sich und avancieren – wie in den Mods von Jodi – zum eigentlichen Inhalt des Werkes.