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Gastbeitrag: Martin Lorber stellt LfM-Studie vor

Am 16. Februar hat Martin Lorber – PR Director und Jugendschutzbeauftragter von Electronic Arts – in seinem Blog zur digitalen Spielkultur eine neue Studie der Landesanstalt für Medien NRW vorgestellt und ein Interview mit den Autoren geführt. Wir übernehmen Herrn Lorbers Beitrag mit seiner freundlichen Genehmigung. Der Originalbeitrag findet sich hinter diesem Link.

Landesanstalt für Medien NRW relativiert das Suchtproblem bei Computerspielen deutlich

Spannende Nachrichten aus Düsseldorf: Die Landesanstalt für Medien NRW hat heute Ergebnisse einer großen Studie vorgestellt, die sie bei Prof. Dr. Uwe Hasebrink vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung Hamburg und Prof. Dr. Jürgen Fritz von der Fachhochschule Köln in Auftrag gegeben hat.Der Titel der Studie lautet: «Kompetenzerwerb, exzessive Nutzung und Abhängigkeitsverhalten. Chancen und problematische Aspekte von Computerspielen aus medienpädagogischer Perspektive». Die Ergebnisse der Studie sind teilweise sehr überraschend und werden die weitere Diskussion über Computer- und Videospiele nachhaltig beeinflussen. So hat eine Repräsentativbefragung im Rahmen dieser Studie ergeben, dass 98,6 % der Computerspieler ab 14 Jahren ein unauffälliges Spielverhalten zeigen, 0,9 % über dem Schwellenwert für «gefährdet» und nur 0,5 % über dem für «abhängig» liegen. Das relativiert Vieles, was derzeit an Zahlen in den Raum geworfen wird und versachlicht die Diskussion deutlich. Ich hatte direkt nach der Vorstellung die Gelegenheit, den beiden Hauptautoren ein paar Fragen zu stellen: Prof. Dr. Jürgen Fritz (links), Martin Lorber, Prof. Dr. Uwe Hasebrink (rechts) Herr Professor Fritz, aufgrund welcher Motivationen entscheiden sich Menschen für das Spielen von Computer- und Videospielen? Prof. Dr. Jürgen Fritz: Auf den ersten Blick haben wir es mit einer Vielzahl von Motiven zu tun: Die Spieler wollen im Spiel ihre freie Zeit genießen, das Gefühl haben, von den Anforderungen und Belastungen der realen Welt unbeschwert zu sein. Sie wollen das Gefühl der Selbstwirksamkeit genießen, also selbstbestimmt auf die virtuelle Spielwelt einwirken. Viele Spieler und Spielerinnen wollen die Möglichkeiten des Spiels nutzen, um ihrer Kreativität und ihren künstlerischen Impulsen Ausdruck zu verleihen. Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Spielern sucht in den Spielen die Herausforderung. Sie wollen durch das Spielen gefordert werden, ihre Fähigkeiten steigern, sich einem Wettbewerb mit anderen Spielern stellen. Nicht wenige Spieler suchen die virtuellen Spielwelten auf, um sich ein gutes Gefühl zu verschaffen, auszuspannen, den Kopf frei zu bekommen, anderen Gedanken Raum zu geben, aber auch: negative Gefühl wie Wut, Anspannung, Frust rauszulassen.Neben der Vielzahl dieser Motivationen hat sich eine Motivation als die zentrale herausgestellt: der Wunsch nach Kontakt, nach Kommunikation, nach Kooperation, nach Anerkennung und Wertschätzung. Es hat den Anschein, dass sich alle anderen Motivationen diesem zentralen Motiv zuordnen. Dies macht verständlich, warum bestimmte Spiele, die dem Rechnung tragen, in besonderer Weise gewählt und genutzt werden. Unterscheiden sich die Motivationen grundlegend bei der Nutzung anderer Medienangebote? Fritz: Der grundlegende Unterschied in den Motivationen ergibt sich durch die zentrale Eigenschaft der virtuellen Spielwelten: sich als Handelnder im Spielprozess wahrzunehmen. Insofern können die Computer- und Videospiele Gefühle der Selbstwirksamkeit vermitteln. Die Spieler können in ihrem spielerischen Handeln erfolgreich sein, von Mitspielern in ihren Leistungen anerkannt werden und Mitglieder von virtuellen Spielgemeinschaften werden. Andere Medienangebote ermöglichen es «lediglich», durch Formen empathischer Identifikation eine rezeptive Anteilnahme mit den Protagonisten in einem Roman, einem Spielfilm, in einer Fernsehshow oder in einer Sportübertragung zu gewinnen. Das Spektrum emotionaler Reaktionen mag dann im Einzelfall umfassender und vielleicht auch intensiver sein, als es (bislang) bei den Computerspielen möglich wäre. Welche Kompetenzen können durch das Spielen von Computer- und Videospielen erworben werden? Fritz: Die Spiele fördern die Kompetenzen, die das Spiel von den Spielern fordert. Insofern lernen die Spieler das Spiel und den Umgang mit den Herausforderungen des Spiels. Diese Kompetenzen haben eine Transfereignung in Bezug auf ähnliche andere Computerspiele. Die Spieler erwerben im Spielprozess Schemata, mit denen sie effektiv, schnell und wirkungsvoll die vielfältigen Herausforderungen in den Spielen zu bewältigen können. Ob diese auf Computerspiele bezogenen Kompetenzen einen Nutzen für die Anforderungen der realen Welt besitzen, muss eher skeptisch beurteilt werden. Manche Spiele bieten Anregungen, sich mit den Spielinhalten auch außerhalb der Spielprozesse zu beschäftigen (z.B. bei historischen Spielinhalten). Möglicherweise können bestimmte Spiele nach Ansicht der befragten Spieler die Reaktionsschnelligkeit verbessern oder auch die Fähigkeit, sich in unterschiedlichen virtuellen Räumen besser zu bewegen. Viele Spieler betonen, dass sie durch die aktive Mitwirkung in virtuellen Spielgemeinschaften ihre sozialen Kompetenzen weiter entwickelt haben. Können Computerspiele zur Weiterbildung genutzt werden und wenn ja, in welchen Bereichen am besten? Was macht Videospiele für die Bildung so spannend? Fritz: Computerspiele können auf ganz unterschiedliche Weise in Bildungskontexten eingesetzt werden. Sie können z.B. Gegenstand von Unterricht werden, um Kenntnisse und Informationen über dieses Medium zu erlangen z.B. über verschiedene Spielegattungen, Belohnungsmechnismen, Altersfreigaben oder ökonomische Hintergründe. Darüber hinaus lassen sich auch manche Themen und Inhalte von Computer- und Videospielen im Unterricht aufgreifen und fortführen. Unter den sogenannten «Serious Games» finden sich einige interessante Spieletitel zu gesellschaftlich relevanten Themen. Insbesondere die Interaktions- und Simulationsmöglchkeiten von Computerspielen bieten spannende Möglichkeiten für den Bildungsbereich. Die LfM hat aktuell einen umfassenden «Best-practice-Kompass» zum Einsatz von Computerspielen im Unterricht herausgegeben, der zu diesem Thema vielfältige Anregungen bietet. Herr Professor Hasebrink: Welche Gefahren bestehen bei Computerspielen in Hinblick auf eine exzessive Nutzung dieser Spiele? Prof. Dr. Uwe Hasebrink: Problematische Computerspielnutzung wird nicht durch ein konkretes Spiel bzw. Spielgenre verursacht. In denjenigen Fällen, in denen es zu einer zeitlich exzessiven Computerspielnutzung mit problematischen Auswirkungen auf andere Lebensbereiche kommt, wirken vielmehr Merkmale von Spieler, Spiel und Spielkontext zusammen. So kann es beispielsweise in biografischen Übergangsphasen, in denen wenig äußere Zeitstrukturen vorgegeben sind, zu intensivem Spielen kommen. Was sind Kriterien für ein problematisches Spielverhalten und wie verbreitet ist dieses Verhalten? Hasebrink: In der fachmedizinischen Literatur sind Kriterienkataloge entwickelt worden, die Annahmen darüber enthalten, wann von problematischem Spielverhalten im Sinne von «Abhängigkeit» gesprochen werden kann. Einige dieser Kriterien sind, 1) lange und ausdauernde Spielphasen über einen längeren Zeitraum von mehr als 6 Monaten, 2) unwiderstehliches Verlangen nach dem Computerspiel, 3) gedankliche Beschäftigung mit den Spielen auch außerhalb der Spielprozesse, 4) Steigerung von Spieldauer und Spielintensität, 5) Vernachlässigen der Anforderungen der realen Welt, 6) Ausdünnen des Beziehungsnetzes (zur Familie, zu Freunden und Bekannten), 7) körperliche Beeinträchtigungen (mangelnde Hygiene, Schlafmangel, Ernährungsprobleme). Unter Zuhilfenahme der KFN-CSAS-II-Skala ermittelte unsere Repräsentativbefragung, dass 98,6% der Computerspieler ab 14 Jahren ein unauffälliges Spielverhalten zeigen, 0,9% über dem Schwellenwert für «gefährdet» und 0,5% über dem für «abhängig» liegen. Dabei handelt es sich jedoch um keine Diagnose von «Computerspielabhängigkeit» im Sinne eines klinischen Störungsbildes. Diese Zahlen sind auf dem ersten Blick sehr gering. Man muss jedoch bedenken, dass intensives (und auch problematisches) Spielen insbesondere in biografischen Umbruchssituationen auftritt (Ende der Schulzeit, Arbeitslosigkeit, Probleme mit dem Studium, Konflikte in Partnerschaften). So weisen die Zahlen unserer Repräsentativbefragung gerade in der Altersgruppe der jungen Erwachsenen (20 – 29 Jahre) auf extensives Spielen hin. Bis zu 7 Tagen in der Woche spielen 11% der Befragungspersonen dieser Altersgruppe. 9,7% dieser Altersgruppe spielen mehr als 20 Stunden die Woche. Weitere Informationen von der Tagung werde ich so bald wie möglich nachliefern.Weitere Links zum Thema:Web: Informationen zur Studie «Kompetenzerwerb, exzessive Nutzung und Abhängigkeitsverhalten. Chancen und problematische Aspekte von Computerspielen aus medienpädagogischer Perspektive» via Blog für digitale Spielkultur