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Medienkunst im Ruhrgebiet
Joan Leandre im U

Am 28. Mai wurde das Dortmunder U im Rahmen der RUHR2010 eröffnet. Aus dem ehemaligen Sitz der Union-Brauerei ist ein Kultur- und Kreativzentrum sowie ein Ausstellungs- und Museumstandort  von internationalem Format geworden.


Langsam füllt sich das U mit Kunst. Eine aktuelle Ausstellung des Hartware MedienKunstVereins ist schon zu sehen. Unter dem Titel Agents & Provocateurs werden subversive künstlerische Strategien gezeigt, die während des Sozialismus in osteuropäischen Ländern entwickelt worden sind.


Im Sommer wird das Ruhrgebiet dann endgültig zum internationalen Zentrum für Medienkunst, wenn die ISEA2010 stattfindet. Die ISEA (International Symposium on Electronic Art) ist eine der bedeutendsten Medienkunstveranstaltungen der ganzen Welt. Die ISEA2010 ist in diesem Jahr ein Projekt der RUHR2010 und wird im Auftrag des medienwerk.nrw vom Hartware MedienKunstVerein in Duisburg, Dortmund und Essen organisiert. Vom 20. – 29. August sprechen über hundert internationale Experten über elektonische Kunst - es gibt Ausstellungen, Performances, Exkursionen und natürlich Partys.


Was aber hat all das mit Games zu tun?


Vor ein paar Tagen hatte ich einen Flyer im Briefkasten, der die im Rahmen der ISEA stattfindende Ausstellung TRUST vorstellt. Laut Website der Ausstellung haben die Kuratoren Medienkunstwerke zusammengestellt, die in irgendeiner Weise das Thema Vertrauen behandeln. Etwas kryptisch und kunsthistorisch-geschwurbelt heißt es da:


»Vertrauen ist ein wichtiger Faktor in allen menschlichen Beziehungen und es ist die Grundlage zwischenmenschlicher Kommunikation. [...] Die Gruppenausstellung TRUST folgt den ästhetischen Fluchtlinien dieses Vertrauens, indem sie dessen Status hinterfragt, die Überzeugungen des Publikums herausfordert und es ermutigt, in einen reflektierten Dialog mit Maschinen und Medien zu treten. Die präsentierten Werke verweisen auf die Begierden und auf die ethischen und emotionalen Dilemmata, die mit diesem Vertrauen einhergehen.«


Gut und schön. Alles und Nichts. Aber wo sind denn nun die Games?

Einer der Künstler, der bei TRUST ausstellen wird, zählt zu meinen persönlichen Lieblingskünstlern und ist einer der ersten überhaupt, die Computerspiele in den 1990er Jahren als ihr Medium und Material entdeckt haben. Es handelt sich um den Spanier Joan Leandre – einem Pionier der Game Art.

1999 hat Leandre begonnen, Computerspielsoftware zu modifizieren. Seine Serie retroYou ist heute ein medienkünstlerischer Klassiker und war auf der ganzen Welt in Ausstellungen zu sehen. Leandre hat ein Autorennspiel so sehr verändert, dass es nicht mehr spielbar ist, sondern zu einer abstrakten Bild- und Tonmaschine wird. In meinem Artikel Interferenzen, den ich zusammen mit Markus Lohoff, in den kritischen berichten veröffentlicht habe, findet sich zu retroYou folgender Absatz: »Ausgangspunkt ist das kommerzielle Autorennspiel Re-Volt (1999), das in mehreren Schritten verschiedenen Abstraktionsstufen unterzogen wurde, die als autonome Modifikationen ausgekoppelt wurden. Die Eingriffe zielen neben der graphischen Repräsentation des Raumes insbesondere auf die Simulation von Bewegung und Schwerkraft. Das Spiel ist in den ersten Abstraktionsschritten noch gut zu erkennen, jedoch nicht mehr im üblichen Sinn navigierbar. Einem Bildschirmschoner gleich läuft die Anwendung vor sich hin und reagiert nur noch marginal auf die Aktionen des Users. Der Computer übernimmt die Regie; Kontrollverlust wird zum Programm. Selbst ohne Spielerintervention folgt das abgebildete Szenario einer eigenen, absurden, den naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten enthobenen Logik.«


2002 tut sich Leandre dann mit zwei weiteren Game Art-Pionieren – nämlich Anne-Marie Schleiner und Brody Condon – zusammen und wirbelt die Counter-Strike-Community durcheinander. Die Arbeit Velvet-Strike ist eine subversive, pazifistische, ironische Intervention des Taktik-Shooters. Velvet-Strike besteht aus virtuellen »Sprühdosen«, die im Spielraum der Counter-Strike-Maps benutzt werden können. So lassen sich an den virtuellen Wänden der Maps pazifistische Botschaften in Form von Graffitti hinterlassen, die bei den anderen Counter-Strike-Spielern nicht immer auf Verständnis und Gegenliebe stoßen. So schreibt jemand anonym an Brody Condon: »You and your boss are dumb and you deserve to die. there is nothing wrong with playing a fucking game for God's sake. Now if you want to go pick flowers and drop acid. by all means do it. but stay the fuck out of our buisness. It's a fucking game.«


Während der Ausstellung TRUST in Dortmund zeigt Leandre nun eine Arbeit aus seiner Serie »In the Name of the Kernel!«.


Wir sehen ein zerstörtes, endzeitliches Szenario. Brennend, doch von der Sonne durchflutet. In der Mitte steht die Bombe wie ein Monument. Die Schwalben – wie ein Regen aus Asche – umfliegen sie unruhig...


Zum Weiterlesen:

Mathias Jansson von gamescenes.org hat ein längeres Interview mit Leandre geführt. Inke Arns, die künstlerische Leiterin des Hartware MedienKunstVerein hat in den oben schon erwähnten kritischen berichten einen Aufsatz veröffentlicht, der sich u.a. mit einer Arbeit Leandres aus seiner Serie »In the Name of the Kernel!« beschäftigt.