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Spieleratgeber NRW:
Grand Theft Auto V beurteilt
Videospiel als kultureller Spiegel

Spielbeschreibung


Wie bereits seine Vorgänger ist auch der fünfte Teil der Grand Theft Auto Reihe mit kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Referenzen gespickt. Wer diese nicht kennt und des Englischen nicht mächtig ist, wird lediglich ein technisch ansprechend gemachtes, jedoch sehr gewalthaltiges Actionspiel erleben, in dem diesmal die Gangsterkarriere von gleich drei Protagonisten in der weiten Welt rund um die Metropole Los Santos thematisiert wird.


Pädagogische Beurteilung

 

Videospiel als kultureller Spiegel

 

Der Klempner Mario wird noch so oft erfolgreich seine Prinzessin Peach aus den Fängen Bowsers befreien. Lara Croft kann alle Schätze der Welt entdecken. Und immer wieder werden, zumeist amerikanische Helden die Welt im Alleingang vor Schurken retten. Trotz aller Erfolge bei Bewertungen und Verkaufszahlen, blieben die meisten Videospiele nur kulturelle Randnotizen. Erst der vierte Teil der Videospielserie Grand Theft Auto (Beurteilung zu Grand Theft Auto IV) hat einen Paradigmenwechsel eingeleitet. Nicht nur wurden die virtuellen Gewaltakte oder der immense Erfolg des Spiels diskutiert. Das erste Mal schauten Leitmedien unter die Fassade eines Videospiels und erkannten ein intelligentes, wenn auch überzeichnetes Spiegelbild der amerikanischen Gesellschaft. Ein aus Ex-Jugoslawien stammender Immigrant mit Kriegsverbrecher-Vergangenheit wandert in die USA aus und karikiert den amerikanischen Traum vom Tellerwäscher zum Millionär, indem er sich vom Kleinkriminellen zum Obergangster hochschießt. Videospielgegner sahen eine mögliche Verrohung der Jugend und prangerten die virtuelle Gewalt an. Andere wiederum erkannten in dem Spiel eine Satire oder gar Kritik auf den Raubtierkapitalismus, als moderne Form des Darwinismus. Auch der fünfte Teil der Reihe behält dieses Muster bei und sorgte ebenfalls vor und nach der Veröffentlichung für allerhand Kritiken und Diskussion rund um die expliziten Muster von Gewalt. 


Das Prinzip GTA


Grand Theft Auto V ist ein Spiel mit einer offenen Welt. Zwar gibt es eine Hintergrundgeschichte, die den Spieler von Mission zu Mission führt, allerdings stellen vor allem die vielfältigen Möglichkeiten, sich abseits des Erzählstranges zu betätigen, den besonderen Reiz der Serie dar. Hauptbeschäftigung sind, wie der Titel es schon vermuten lässt, Autodiebstähle. Alle in GTA vorhanden Fahr- bzw. Fluggeräte sind nutzbar. Ein Druck auf die Dreieckstaste genügt und die Spielfigur zerrt den Fahrer aus dem Auto und rauscht zur nächsten Mission. Oder Spielende lassen sich treiben und cruisen oder fliegen durch die große und lebendige Welt von Los Santos. Während der Fahrt spielen mehrere Radiosender bekannte Rock, Pop und Rap Titel. In Radionachrichten werden die begangenen Straftaten thematisiert oder Anspielungen auf reale Ereignisse gemacht.


Die Spielwelt ist hierbei sehr abwechslungsreich gestaltet. In reichen Gegenden gehören Villen, Anzugträger, Geländelimousinen und Sportwagen zum äußeren Erscheinungsbild. Weniger betuchte Viertel haben einen eher industriellen Charakter. Das Umland bietet Wälder, Berge und Wüsten. Wetterwechsel, Tages- und Nachtzeiten sind dynamisch angelegt. So kann es während einer Mission regnen oder es wird langsam dunkel, während die Lichter der Stadt angehen. Das trägt zu einer ansprechenden Atmosphäre bei und vermittelt eine realistische Exposition.


Spannend inszeniert sind die Heists. Das sind Raubüberfälle, die das Trio vorab organisieren muss. Weitere Profis werden engagiert, Alarmanlagen ausgeschaltet, Fluchtwagen besorgt. Ein anderer klaut ein U-Boot oder beschafft Chemikalien. Zwischen den drei Protagonisten kann jederzeit gewechselt werden. Bei einigen Heists können sich Spielende zudem entscheiden, ob Sie eher lautlos vorgehen oder ob sie sich den Weg mit Sturmgewehren freischießen möchten. Schießereien sorgen dann aber dafür, dass immer mehr Ordnungskräfte, bis hin zu Spezialeinheiten den Gangstern auf die Pelle rücken. Dann hilft es nur noch ein schnelles Auto zu klauen und abzuhauen. Leider halten die Fahrzeuge, fast wie Panzer, zu viele Unfälle aus.


Wie erwähnt sind gute bis sehr gute Englischkenntnisse und eine gewisse Allgemeinbildung notwendig, um die vielen Details des Spiels mitzubekommen und zu verstehen. Es gibt Anspielungen auf bekannte Fernsehserien, Filme und Videospiele, soziale Ungerechtigkeit, auf Steve Jobs, Facebook, den Krieg gegen den Terrorismus, den Schönheitswahn, die Machenschaften der Finanzwelt und vieles mehr.


GTA als Prestigeobjekt


Inhaltlich ist das Spiel reine Erwachsenenunterhaltung und hat in den Händen von Minderjährigen nichts verloren. Die meisten, vor allem männliche Teenager, werden jedoch auf Nachfrage angeben, dass sie schon einmal GTA gespielt haben. Ob dies so ist, oder ob man als männlicher Jugendlicher das aus Coolness sagen muss, sei dahin gestellt. GTA bietet zwar einen Storymodus, doch gerade für Heranwachsende ist das freie Spielen oft attraktiver. Hier können sie die Grenzen einer Welt ausloten - und zwar in vielen Belangen. Was geht technisch, d.h. kann man mit einem Auto von einem Hochhaus in ein Flugzeug springen? Wo gibt es die coolsten Orte der Stadt, wo findet man die teuersten Autos?
Zusätzlich hat der Spieler in GTA V die Möglichkeit die fiktionalen Nachtclubs zu besuchen. In diesen tanzen halbnackte Stripperinen an Stangen und der Spieler kann diese für einen persönlichen Lapdance bezahlen. Je nachdem, wie hoch der Symphatiefaktor der Tänzerin steigt (durch Anfassen und Komplimente), bietet diese dem Spieler an, mit ihr nach Hause zu fahren. An einigen Strassenecken kann der Spieler auch direkt Prostituierte vorfinden und diese durch Betätigen der Hupe bitten einzusteigen. Die Spieler haben also die Möglichkeit auch die Sexualität der Protagonisten auszuleben. Doch auch in Bezug auf Gewalt können die Grenzen des Spiels getestet werden: Wo bekomme ich die stärksten Waffen und was kann ich mit ihnen anstellen? Mehr noch als im Storymodus mit seiner vorhandenen Reflexionsebene stellt der freie Modus für Kinder und Jugendliche die Gefahr einer nachhaltigen Beeinträchtigung dar. Zu schwach ist das Sanktionssystem, zu cool die Charaktere, die sich mit Waffengewalt durch eine realistisch nachgebildete Großstadt bewegen. Ohne die kulturellen Referenzen der Story bleibt nämlich oftmals ein gewalthaltiger Sandkasten zurück, in dem Jugendliche ihre Allmachtsphantasien in einem realistischen Setting ausleben können. Erwachsenen Spielern wird hier die nötige Reife zugestanden, um den Rahmen und das Geschehen auf dem Bildschirm korrekt einordnen zu können.


Foltern in einem Videospiel


In der Story gibt es eine heftige Mission, die selbst erfahrenen Spielern zu weit ging und kontrovers diskutiert wurde. Eine der Hauptfiguren, der durchgeknallte Trevor, soll im Auftrag des FIB! einen Zeugen foltern. Zur Verfügung stehen Elektroschocks, Kniescheiben zertrümmern, Zähne ziehen und das klassische Waterboarden. Spielenden wird hier eine Alternative verwehrt. Sie sind dazu gezwungen, die mehrstufige Folterung aktiv durchzuführen. Beispielsweise genügt es nicht, auf einen Knopf zu drücken, um dem Zeugen einen Zahn zu ziehen. Die Spieler müssen mit dem Analogstick kreisende Bewegungen ausführen, während sich die Figur vor Schmerzen windet. Das ist harter Tobak und hinterlässt beim Spieler und Betrachter zu Recht ein unangenehmes Gefühl, das auf den ersten Blick allerdings sonderbar erscheint. Denn bis zur Folterszene wurden unzählige Figuren erschossen, überfahren oder in die Luft gejagt, ohne Gewissensbisse zu haben. Aber erst bei dieser Mission haben sich viele Spielende gedanklich mit real existierender Folter und damit realer Gewalt an Menschen auseinandergesetzt. Hier tritt die Gewalt aus einem stereotypen Setting heraus und wird erfahrbar in den Gesichtszügen einer individuellen Spielfigur, die zudem vollkommen wehrlos dem Tun des Spielers ausgesetzt ist. Der Publisher bewegt sich hier auf einem ganz dünnen Drahtseil, denn einerseits können solche Szenen natürlich beim Spieler Reflexionen über sein Tun auslösen, andererseits wirkt es extrem unglaubwürdig, wenn ein Psychopath sich im Nachhinein kritisch über seine eigene Foltertätigkeit äußert.


Die Realität beeinflusst nun mal die Fiktion und ist Inspirationsquelle für Bücher, Filme aber auch Videospiele. Seit einigen Jahren ist verstärkt zu beobachten, dass Folter vor allem in Filmen und Serien thematisiert wird. Vermutlich ist auch die Welle von Folter-Filmen, sogenannten Torture Porns, wie die SAW- oder Hostel-Reihe erst durch die Ereignisse in Abu Ghraib und Guantanamo Bay initiiert worden. Daher scheint es naheliegend, dass auch Videospiele mit einer filmischen Erzählstruktur reale Ereignisse aufgreifen und verarbeiten. Der Diskussion über die zunehmende Akzeptanz von Folter in der Gesellschaft (beispielsweise dieser Artikel) muss sich aber bei einer derart verkürzten Darstellung, vor allem der Folgen von Folter, auch das Medium Games stellen.


Fazit


GTA V punktet mit einer weiten, an Los Angeles orientierten Spielewelt, sowie einer filmreifen Inszenierung mit realistischen Dialogen und abwechslungsreichen Missionen. Allerdings sind es besonders die Darstellungen von Gewalt und sexualisierten Inhalten, die eine Altersfreigabe ab 18 Jahren mehr als rechtfertigen. Die Protagonisten sind allesamt sehr überspitzt dargestellt und könnten besonders bei jüngeren Spielern als Identifikationsfiguren falsche Werte vermitteln. Es benötigt einer gewissen Reife innerhalb der Reflexion, um die satirischen Übersptzungen richtig einordnen zu können. Bei der Folterszene scheiden sich berechtigterweise die Geister. Folter wurde zwar auch vorher in Videospielen thematisiert, aber durch den hohen Grad der Interaktivität bewirkt die Darstellung der Folter zurecht ein emotionales Unbehagen beim Spieler. GTA V ist definitiv nur für Erwachsene geeignet und gehört nicht in die Hände von Kindern und Jugendlichen.


Grand Theft Auto V
Kurzinformationen zu diesem Spiel:

 

Vertrieb: Rockstar Games
Erscheinungsjahr: 2013
Systeme: Playstation 3, XBox 360
System im Test: Playstation 3
Tester: Kadir Yilanci
Beurteilung der USK: keine Jugendfreigabe
Pädagogische Beurteilung: ab 18 Jahre

 

Wertung:

 

Filmreif inszenierte Satire der amerikanischen Gesellschaft mit kontroversen Inhalten, die die Gangsterkarriere von drei Protagonisten thematisiert

 

Homepage des Spiels

 

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 Text: Kadir Yilanci für die Jugendredaktion via Spieleratgeber NRW

Bilder: Rockstar Games