Will in Town
ein Location-based Game
entwickelt von Studierenden des Instituts für
Medienkultur und Theater der Universität zu Köln
2014 ist das Jahr, in dem sich einerseits der Geburtstag William Shakespeares zum 450. Male jährt, und in dem andererseits in Köln aus diesem Anlass eine große Ausstellung zu seinen Ehren stattfinden wird: A Party for Will! im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK). Kooperationspartner dabei ist die Theaterwissenschaftliche Sammlung, die zum Institut für Medienkultur und Theater der Universität zu Köln gehört. Die auf Schloss Wahn in Porz-Wahn situierte Sammlung beherbergt unzählige Artefakte mit dem Schwerpunkt deutscher Theaterkultur, daraus stellt sie zahlreiche Shakespeare-thematische Materialien – Fotos, Plakate, Grafiken, Schriftstücke und vieles mehr – als Exponate für die Ausstellung zur Verfügung.
Schon zum Sommersemester 2013 hin hatte Prof. Dr. Peter Marx, Leiter der Theaterwissen- schaftlichen Sammlung und des Instituts für Medienkultur und Theater, die Idee, auch die Studierenden in die Vorbereitung dieser Feierlichkeiten einzubinden. In einer Kombination von Theaterwissenschaft und Game Studies, wie man sie beide am Institut findet, entstand der Plan zu einem besonderen, zuvor in dieser Form noch nicht dagewesenen Projekt: Die Entwicklung von Will in Town, einer lauffähigen mobilen Spiele-App mit sämtlichen dafür notwendigen Aspekten: den Texten, den Grafiken, und der Programmierung.
Über zwei Semester hinweg kamen wir, eine Gruppe von circa 20 Masterstudierenden, unter der Leitung von Prof. Dr. Marx und seinem Games-Studies-Kollegen Jun. Prof. Dr. Benjamin Beil zusammen, um diese Idee von der Planung bis hin zum spielbaren Produkt umzusetzen. Hilfreich waren uns dabei die verschiedenen Studienfachkombinationen, die der Studiengang Medienwissenschaft in Köln anbietet und die auch in unserer Projektgruppe vertreten waren: Jene von uns, die Medieninformatik im Nebenfach studieren, übernahmen hauptsächlich den technischen Teil der Umsetzung. Die eher sprachlich-geisteswissenschaftlich ausgerichteten Leute der Gruppe lasen sich sowohl in einzelne Shakespeare-Stücke sowie auch in die Kölner Sagenwelt ein und überlegten sich sinnvolle Verknüpfungen und mögliche Schnittstellen. Unser Projektkoordinator studiert passenderweise Medienmanagement im Nebenfach, unsere Layouter zum Teil Kunstgeschichte, und so weiter. Letztendlich waren die Rollen der Beteiligten aber nicht starr, jeder konnte sich bei jedem Projektbereich einbringen und mitreden. Wie es der Studienalltag an einer Universität so mit sich bringt, konnten nicht alle Mitglieder über beide Semester mitgenommen werden, gleichsam kamen auch im zweiten Teil des Kurses viele neue mit frischen Ideen dazu.
Während im ersten Semester hauptsächlich durch verschiedene Pitches, Diskussionen und Altstadt-Spaziergänge ein Spielkonzept ausgearbeitet wurde, ging es im zweiten dann an die konkrete Realisation. Dazu teilten wir uns in drei Gruppen auf: Die Narrationsgruppe (die mit den Texten), die Gaming-Gruppe (die mit dem Code) und die Layoutgruppe, die sich damit beschäftigt hat, Bildmaterial aus der Theaterwissenschaftlichen Sammlung zu sichten, mit dem Ausstellungskatalog abzugleichen, gegebenenfalls zu scannen und mit Photoshop für die Nutzung in der App zu bearbeiten. Abgesehen davon arbeiteten sie eng mit dem Doktoranden und Comiczeichner Federico Alvarez zusammen, der eine große Anzahl von thematisch passenden Grafiken entworfen und gezeichnet hat, die heute den Look von Will in Town ausmachen.
All Cologne's a stage, and all the men and women merely players
Das Konzept, auf das wir uns letztendlich geeignigt haben, ist das einer Quest-basierten digitalen Schnitzeljagd, bei der es die in Köln verteilten Knochen Shakespeares wiederzufinden gilt. Diese, so die Hintergrundgeschichte zum Spiel, sollten eigentlich anlässlich des Jubiläums und der Party in typisch kölscher Reliquientradition überführt werden, wurden aber dann durch Puck, den unruhestiftenden Elfen aus dem Sommernachtstraum, aus ihrer Kiste befreit. Neben den verstreuten Gebeinen gibt es noch die Währung der Kamelle, die man zwischen den Hauptquests sammeln kann und die einem dabei helfen, die Knochen zu finden. Dem Spielenden begegnen während des Spiels verschiedenste Gestalten und Wesen der Stücke, von denen man die in alle Ecken der Altstadt verteilten Knochen ihres Meisters zurückerobern muss, sowie auch diverse Urgesteine und Traditionen Kölns, die jeweils in einen gegenseitigen Austausch treten. So kann man beispielweise Falstaff aus »Die lustigen Weiber von Windsor« in diversen Kölschbrauhäusern antreffen und die Hexen aus »Macbeth« rekrutieren die Kölner Heinzelmännchen, um mit einem Zaubertrankrezept zu helfen.
Die beiden Welten – der Shakespeare-Kosmos und die kölsche Folklore – begegnen sich in einer dritten, der realen Welt des Kölner Stadtraums, durch die sich der Spieler mithilfe seines Geräts navigiert und mit der er innerhalb der in den Quests verorteten Minigames interagiert.
Bei der Konzeption haben wir uns von verschiedenen Einflüssen aus dem Game-Bereich inspirieren lassen: Natürlich steht Will in Town in der Tradition der Serious Games, da es kaum möglich ist, beim Spielen nicht das ein oder andere über Shakespeare und Kölner Stadtgeschichte zu lernen. Geocaching ist ebenfalls ein offensichtlicher Einfluss, da die Quests einen örtlichen Bezug zu ihrer Umgebung haben und sich nur durch eine Annäherung des GPS-Signals der Spielerin oder des Spielers auslösen lassen.
Es sind aber auch noch andere Spieletraditionen vertreten: Aus Strategiespielen haben wir das Konzept des »Fog of War« übernommen, ein Nebel, der jene Areale überdeckt, die der Spieler noch nicht erkundet hat. So kann man einerseits anhand der Karte im Spiel leicht nachvollziehen, wo es noch ungespielte Quests gibt und ist gleichzeitig motiviert, neue Wege in den Nebel zu bahnen. Beim Interfacedesign vereinen wir unter anderem so verschiedene Elemente wie ein von Diablo II inspiriertes Iteminventar und eine WhatsApp- oder iMessage-artige Dialogstruktur der verschiedenen NPCs innerhalb der Quests.
All’s Well That Ends Well - Et hätt noch emmer joot jejange
Über einen derart langen Zeitraum hinweg mit wechselnden Mitgliedern nicht nur zu einem gemeinsamen Konzept, sondern dann auch noch zu einem spielbaren Ergebnis zu kommen, ist eine schwierige – manche würden sogar behaupten unmögliche – Aufgabe.
Und so verlief in unserem Will in Town-Projekt, das zum Großteil von uns Studierenden selbst organisiert wurde, auch nicht immer alles rund und es gab zwischendurch einige Probleme: Trotz des im Vergleich mit anderen Unikursen bereits immens hohen Arbeitsaufwandes waren die Zeit und die Ressourcen, die wir zur Verfügung hatten, natürlich begrenzt. Oftmals mussten geistreiche und fantasievolle Ideen verworfen werden, wenn die praktische Umsetzung einfach nicht realistisch schien. Die große Anzahl von Mitwirkenden bedeutete eine mindestens ebenso große Zahl an verschiedenen Vorstellungen der fertigen App in den Köpfen, die letztlich bei niemandem in ihrer Ursprungsversion so realisiert werden konnte. Dialog und Diskussion über ein ganzes Jahr hinweg haben schließlich zu einer gemeinsamen Vision geführt, die die besten Ideen zu einem einheitlichen Ganzen kombiniert.
Das entstandene Will in Town ist sehr viel mehr als ein fauler Kompromiss: Es ist entgegen aller Wahrscheinlichkeiten ein optisch ansprechendes, spannendes, spaßiges Spiel für alle Altersklassen entstanden, das den Spieler in seinen Bann zieht und nebenbei auch noch lehrreich ist. Für uns Studenten war die Teilnahme an dem Projekt eine einmalige Erfahrung auch mit Relevanz für das spätere Berufsleben: Die Einarbeitung in diverse neue Techniken hatte einen riesigen Lerneffekt für alle von uns, viele der ProgrammiererInnen hatten sich beispielsweise vorher noch nie mit der Appentwicklung beschäftigt. Die einjährige projektbasierte Arbeit war in jedem Fall gelungene Abwechslung zu dem sonst eher von klassischen Seminaren und Vorlesungen dominierten Studium.
Das Seminarprojekt Will in Town ist mittlerweile zwar abgeschlossen, aber das Spiel besteht weiterhin und Möglichkeiten einer Weiterentwicklung und Ausweitung in der Zukunft werden aktuell verhandelt.
Will in Town ist verfügbar für iPhone und iPad (ab iOS 7) und
Android-Geräte (ab Version 4.0.4 – Ice Cream Sandwich).